9. SONNTAG IM JAHRESKREIS
Evangelium nach Markus (2,23–28)
Wenn man das, was im heutigen Evangelium über den Sabbat gesagt wird, auf unsere heutige Situation übertragen will, dann könnte man sagen: „Der Sabbat, der Sonntag, ist für den Menschen da.“
Was war damals mit dem Sabbat gemeint? Es war der Tag, an dem keine Arbeit verrichtet werden sollte. Ruhetag. Es war der Tag, an dem man sich vom Zwang befreite, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Es war ein Tag der Freiheit. Diese Freiheit, benützte man dann dazu, sich Gott zuzuwenden, ihn in den Mittelpunkt zu stellen, diesen Tag Gott zu widmen, so wie in den 10 Geboten steht: „Mache diesen Tag zum Tag des Herrn, deines Gottes.“
Die damaligen religiösen Autoritäten haben in ihrem Übereifer dann versucht, mit vielerlei Vorschriften, das „Ruhen“ festzulegen: Nicht nur nicht auf dem Feld arbeiten, sondern wie viele Schritte man am Sabbat machen durfte, nichts tragen, keine Ähren pflücken usw. Statt Freiheit entstand Zwang, rein äußerliche Verpflichtungen, die sogar die Erfüllung elementarer Bedürfnisse beeinträchtigten. Und dagegen reagiert Jesus: Der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern umgekehrt: Der Sabbat für die Menschen, zu ihrem Wohl, sowohl körperlich als geistig. Natürlich hat Jesus sich dadurch sehr unbeliebt gemacht. Er hat etwas „Heiliges“, „Unantastbares“ angetastet. Und das war einer der Gründe, warum man ihn umgebracht hat.
Diese übertriebene Sorge um die Sabbatruhe, die man mit den unmöglichsten Gesetzen absichern wollte, ist nicht mehr unsere Situation. Wir haben mit unserem ‘Sabbat’, Sonntag, andere Probleme. Wir haben praktisch keine Vorschriften mehr, die uns auferlegt werden. Wir verfallen ins andere Extrem: Der Sonntag verliert seinen tieferen Sinn, wie ihn die Bibel meint: als Tag des Frei-Seins für Gott.
Es ist uns allen bekannt: Sonntagsarbeit greift immer mehr um sich. Immer öfter gibt es verkaufsoffene Sonntage. Man muss unbedingt konsumieren, was die Unterhaltungs- und Freizeitindustrie anbietet. Es herrscht eine Art Freizeitzwang: Ausflüge, Fußball- und andere Sportveranstaltungen, Konzerte ... wofür auch der Sonntagsgottesdienst, die Begegnung mit Gott, weichen muss, einfach fallen gelassen wird. Sind viele Menschen nicht deswegen so ausgebrannt, weil sie immer mehr dem Diktat des Konsums unterworfen sind, immer mehr leisten müssen, damit sie sich immer mehr Dinge anschaffen können, die sie im Grunde genommen gar nicht brauchen? Verliert der Mensch nicht seine Freiheit, weil er die Sonntagsruhe nicht mehr einhält?
Der Gottesdienst ist eine Zeit und auch eine gute Gelegenheit, Gott zu hören in der Lesung, im Evangelium, in der Predigt. Der Gottesdienst ist eine Gelegenheit, die Beziehung zu Gott zu pflegen. Gottesdienst ist eine Zeit, in der wir Kraft schöpfen für unser Leben, indem wir Gott begegnen in der Stille, im Gebet.
Und das wirkt sich auch aus auf unser Leben mit unseren Mitchristen. Wir Christen können am Sonntag mit und für die Glaubensgemeinschaft da sein, zu der wir gehören und die uns trägt. Ein Sonntag ohne Gottesdienst ist es kein richtiger Sonntag. Macht diesen Tag also zum Tag des Herrn, eures Gottes. Und das kommt auch euch selbst zugute. Der Sonntag ist auch für den Menschen da.